Drei Variationen des VSM


Same same but different

Vor ein paar Monaten stellte mir Ralf Westphal die Frage: “Wie könnte ein Minimal Viable System Model aussehen?” Mit seiner verschmitzten Formulierung, welche implizit mit dem Kontext eines MVP spielte, hatte er einen Nerv bei mir getroffen. Denn meine seinerzeitige Darstellung und Herleitung des Modells war inhaltlich und dramaturgisch durchaus konsistent – aber doch sehr akademisch und abstrakt in seiner Form ausgestaltet. Zu jener Zeit legte ich großen Wert auf die Nähe zum Original und habe so manchen Menschen mit Begriffen wie Homöostase, Variety Management, Rekursion oder Transducer hier und da ‘leicht’ überfordert.

Nach einem Treffen mit Frank Düsterbeck und unserem regen Austausch rund um die Themen VSM, Change, Agilität, Lean, Psychologie, Soziologie und anderen Aspekten, entwickelten wir u.a. Ideen wie das VSM zugänglicher vermittelt werden könnte. Hierzu hatte Frank bereits im September einen interessanten Beitrag auf Linkedin geschrieben. Die erforderliche Lernzeit ist sicherlich eine der Haupthürden, wenn man das Modell in all seinen Dimensionen erschließen möchte. Es ist eben mehr als nur ein Verzeichnisbäumchen – es geht um die grundsätzlichen Elemente und Zusammenhänge einer lebensfähigen Organisation.

Ein anderes (und hoffentlich neues)  Narrativ sollte her

Hier nun eine Auswahl verschiedener Ansätze um den Zugang zum VSM etwas anders zu gestalten, ohne die Grundideen zu trivialisieren. Der jeweiligen Darstellung ist ein kurzer Vor- und Nachteile-Abschnitt vorangestellt.

So viel vorab: Letztendlich verbleibt bei mir aber immer noch das ungute Gefühl das jede Variation zu viel weglässt und damit eben doch auf eine Trivialisierung hinausläuft. Ein typisches Experten-Dilemma – wie es Maria Pruckner schön zusammengefasst hat 😉

1. Die semi-dualistische Darstellung

Vorteile: Immerhin kommt mal so etwas wie eine Umwelt (höhere Rekursionsebene) ins Spiel – die Nabelschau hat ein Ende. Es werden erste Kreisläufe/Regelkreise eingeführt. Es fließt etwas hinein und es fließt etwas hinaus. Das ist in einem Org-Diagramm seltenst bis gar nicht wiederzufinden.

Nachteile: Beim “System im Fokus” = Operation + Planung bleibt es bei einem scheinbaren Dualismus, also Operation vs. Management. Es fehlt etwas. Zumal es immer noch recht technisch anmutet.




 

2. Die Trinität der Lebensfähigkeit

Vorteile: Der scheinbare Dualismus von Operation vs. Planung (Management) löst sich auf, weil ein “unabhängiger” Schiedsrichter ins Spiel kommt – die Regulation besitzt keine klassische disziplinarische Gewalt. Es stellt sich spätestens hier  die Frage, was denn auf diesen Kanälen geschieht. Die Kompliziertheit der Darstellung steigt.

Nachteile: Es bleibt offen welche Planung genau zu welchem Zweck erfolgt. Und von den Transducern (Überführern) war noch nicht einmal die Rede. Die sind als Schnittstellen an den Pfeilspitzen beheimatet, welche die Informationen von Subsystem zu Subsystem übertragen und als Mehrsprachler und eben nicht als typische Übersetzer (Translator) fungieren. Des weiteren könnte diese Darstellung auf so manchen Zeitgenossen immer noch zu technisch wirken.

 

 

3. Der Fluss des Seins

Vorteile: Die technische Anmutung ist passé – die Abbildung bringt eine Dynamik ins Spiel indem es von der Vision (System 5) ausgehend in einen scheinbar linearen Fluss übergeht. Das mag unser Gehirn natürlich sehr gerne, weil es kognitiv so schön kommod ist.

Eine kleine intellektuelle Erweiterung im Verhältnis zum Original ist auch enthalten, da zumindest symbolisch der “Nicht-Visions-Raum” als “Dark Mental Space” enthalten ist. Es geht um eine Kartierung, welche auch die Unknown Unknowns umfassen soll.

Nachteile: Der Aspekt der Wechselwirkung geht völlig verloren. Das ist der Preis für die Linearität des Narrativs. Nun wäre es möglich noch mal eben ein paar kausale Schleifen einzubauen und die fehlenden Systeme 2 (Koordination Tagesgeschäft) und 3* (Audits & Controlling) einzufügen, doch dann könnte auch ich eigentlich direkt das Original zeigen. Ebenso fehlen wieder die m.E. oft unterschätzten Transducer.

 

 

Das Original von Stafford Beer

Von mir etwas angereichert, z.B. Legende zu Kanälen und weiteren Kleinigkeiten. Ästhetisch ist dies m.E. weiterhin unerreicht – insbesondere wenn man die Originalzeichnungen von Stafford Beer aus den verschiedenen Büchern kennt.

 

 


3 responses to “Drei Variationen des VSM”

  1. Mir “fehlt” zu den technischen Systemelementen noch das “Menschelnde”.
    Ich versuche diese Ergänzung einmal mit den Worten von Peter Sloterdijk:

    Die Welt ist kein Netzwerk sondern ein Gebilde aus autogenen Schäumen, den menschlichen Sphären. Dabei ist die Antroposphäre minimal ein neun-dimensionaler Raum:
    1. Das Chirotop: der Wirkungsbereich der menschlichen Hand
    2. Das Phonotop: die vokale Glocke der menschlichen Stimmen
    3. Das Uterotop: die Ausweitung der Bemutterungszone
    4. Das Thermotop: die Vorteilszone von geteilten Herdeffekten
    5. Das Erototop: der erotischer Übertragungs,- und Eifersuchtsort
    6. Das Ergotop: mit Definitionsgewalt und Kooperationsgeist
    7. Das Alethotop: in der sich die Gruppe in Form hält
    8. Das Thanatotop: das Manifestationen von drüben anbietet
    9. Das Nomotop: in dem eine erste Verfassung entsteht

    Ich stelle mir nun das Beer`sche Systemmodel -analog zum physischen Körper- als lebendiges Grundsteueurungssystem vor, zusätzlich überzogen mit je einer Schaumkugel aus den obigen neun Dimensionen in der jeweiligen Steuerungsebene und diese nochmals überlagert von den übegeordneten Schaumkugeln die auch jeweils ihre neun Dimensonen ausgeprägt “managen”.

    Das etwa könnte ich mir als VSM vorstellen.
    Das ist spannend systemisch oder?
    Aus meiner Erfahrung-18 Jahre PE/OE Berater- bildet das in etwa die Kultur eines Unternehmens ab.

    Gruß und Glückwunsch zu dem tollen Block und Ihrem Buch.

    • Zunächst Verzeihung für die späte Antwort! Lieben Dank für den inspirierenden Beitrag den ich möglichst kurzgesagt so interpretiere: Die benannten Sphären sind Teil eines “Meta-System-5” – damit spiele ich auf die Kybernetik der 2.Ordnung an, also dem beobachtenden Beobachter, der den Beobachter beobachtet. Obgleich: Ich muss das noch mal sacken lassen. Insofern noch mal Danke! 🙂

      Zur Zeit beschäftige ich mich stark mit der Fragestellung (m)einer Machttheorie, also 6.

      Herzliche Grüße,
      Mark Lambertz

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