Das Viable System Model und politische Identität
Seit ich mit dem VSM in Kontakt gekommen bin betrachte ich nicht nur Organisationen im wirtschaftlichen Kontext durch die Brille des Modells, sondern auch Systeme im politischen Raum. Dabei richte ich meinen Blick weniger auf die operativen Handlungen einer Partei oder einer Regierung, sondern schaue zumeist auf die normative Ebene (System 5) und die damit in Verbindung stehenden strategischen Planungsstile und langfristigen Verhaltensweisen. Seit dem Aufstieg der AfD stoße ich in meinem Gedankensalat immer wieder auf den Begriff der Identität, den ich im VSM auf das System 5 übertrage. Als “ultimativer Boss” bestimmt es maßgeblich den Ethos, die Werte und Glaubenssätze einer Organisation, die sich in einer Identität manifestieren.
Zuweilen sehe ich das System 5 als einen Attraktor, der (frei nach John Boyd) nicht nur die bereits “Bekehrten” motiviert, sondern auch die bis dato Unerreichten förmlich anzieht und sie Teil einer “großen Sache” sein lässt. Mir stellt sich daher die Frage: Warum ist die von der AfD angebotene Identität so attraktiv für viele Menschen? Sicher erscheint mir, dass es darauf keine einfache Antwort gibt – und bereits genug kluge Leute darüber nachgedacht und geschrieben haben.
Was könnte ich also noch in den Diskurstopf werfen, was noch nicht 1.000 mal gesagt wurde (aber wahrscheinlich auch nicht super genuin sein wird)?
These: Nationalisten sind intellektuelle Faulpelze
Ich habe den Eindruck das Nationalisten, egal aus welchem Teil der Erde diese auch stammen mögen, am Ende des Tages ihr Gehirn in einen Sparmodus schalten, wenn es um die Frage der eigenen Identität geht. Es ist halt einfacher sich auf Symbole und Rituale zu beziehen, die einem von der Umwelt angeboten werden. Ganz gleich ob es dabei um eine Thüringer Wurst, ein Original-Köfte oder ein T-Bone Steak geht – wer seine eigene Identität aus solch’ trivialen Symbolen ableitet, ist meiner Meinung nach eine faule Socke. Gleiches gilt für die Verherrlichung von kulturellen Leistungen, wie zum Beispiel die Schriftstellerei. Es wird dabei vollkommen ausgeblendet, dass beispielsweise der große Goethe ein Kosmopolit war (heute als links-grün versiffter Multi-Kulturalist geschimpft). Man macht sich nicht die Mühe sich mit all den Widersprüchen des Seins auseinanderzusetzen und reduziert sich selbst auf einen intellektuellen Gartenzwerg. Die globalen Abhängigkeiten werden verdrängt und so kommt es, dass ein Neonazi ohne Probleme beim “goldenen M” essen geht, Schuhe einer englischen Marke trägt die in Fernost produziert wurden oder Kleidung trägt, deren Baumwolle in Südamerika gewonnen wurde. Abgesehen vom humanistischen Ideal sind es diese Aspekte, die meinen Intellekt zutiefst beleidigen.
One response to “Identität und Lebensfähigkeit”
Hi VSM Meister
Den Text hier fand ich zu der Thematik spannend und frisch:
http://www.ctrl-verlust.net/digitaler-tribalismus-und-fake-news/